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  • miriambahl

Über Substanzmittel-Sucht

Alkohol, Zigaretten, Cannabis- in der Realität der meisten Menschen spielen diese Suchtmittel eine größere oder kleinere Rolle. Doch wann wird der spaßige Partyabend zum Problem?



Ob jemand einfach nur gerne trinkt, bereits ein problematisches Verhältnis zum Alkohol hat oder aber bereits AlkoholikerIn ist, ist schwierig zu definieren. Daher bedarf es immer einer professionellen Einschätzung, zum Beispiel durch ärztliches oder psychologisches Personal.


Was aber sind Warnzeichen, bei denen man hellhörig werden sollte?


In der Medizin und vor allem bei psychiatrischen Krankheiten benutzen wir sogenannte Diagnosekriterien. Das sind Kriterien, die erfüllt sein müssen, um bei PatientInnen eine Krankheit feststellen zu können.

Für Drogenabhängigkeit (und damit meint man auch Alkohol) guckt man sich verschiedene Merkmale an. Ich beschreibe diese Merkmale heute mal anhand des Beispieles Alkohol.


- Du trinkst mehr als du wolltest. Du trinkst, obwohl du eigentlich nüchtern bleiben wolltest, Du hast ein unwiderstehliches Verlangen nach Alkohol (Craving). Diese Aussagen passen zu dem Merkmal "Kontrollverlust", welches in den Diagnosekriterien abgefragt wird.

-Das Trinken wird wichtiger als anderes in deinem Leben: Wichtiger als andere Verabredungen, wichtiger als deine Gesundheit, wichtiger als Verpflichtungen. Obwohl du weißt, dass durch deinen Konsum von Alkohol Probleme entstehen, kannst du nicht anders, als wieder zu trinken.

-Dein Körper zeigt dir, dass er abhängig wird: Du brauchst jetzt nicht mehr ein Bier, um betrunken zu sein, sondern vier. Wenn du nüchtern wirst, entwickelst du Entzugssymptome. Du willst wieder Alkohol trinken, du schwitzt, kriegst Herzrasen, hohen Blutdruck, vielleicht auch Kopfschmerzen oder sogar Halluzinationen.


In den neuen Diagnosekriterien (nach ICD-11) gilt man als abhängig, wenn zwei dieser drei Merkmale zutreffen.

https://icd.who.int/browse11/l-m/en#/http://id.who.int/icd/entity/1580466198


Aber warum passiert das dem einen, und jemand anders kann einfach trinken und wieder aufhören, wird aber nicht abhängig davon?


Das liegt an unterschiedlichen Faktoren.


- biologische Faktoren: Manche Menschen haben einen "genetischen Hang dazu", mehr zu trinken. Es gibt außerdem ein Belohnungssystem im Hirn ("Limbisches System"). Wenn wir etwas erreicht haben, wird Dopamin ausgeschüttet und wir freuen uns. Belohnung kann ein sehr starkes Gefühl sein. Bei manchen Leuten springt das Belohnungssystem weniger an als bei anderen. Die Folge: Wenn solche Leute Alkohol konsumieren, springt das Belohnungssystem an und dieses Gefühl ist noch viel doller als bei Menschen mit "normalem" Belohnungssystem. Es gibt noch viele weitere biologische Mechanismen, die manche Menschen eher abhängig werden lassen als andere. Die DNA spielt eine nicht zu unterschätzende Rolle.

https://www.dasgehirn.info/krankheiten/sucht/vom-genuss-zur-sucht?language=en


-soziale Faktoren: Wenn die Eltern schon immer tief ins Glas geschaut haben, wird ihr Sohn oder ihre Tochter das auch eher tun. Wenn der ganze Freundeskreis trinkt, ist die Wahrscheinlichkeit wesentlich höher, dass man selbst mitmacht.


-Auch psychologische Faktoren können ein Auslöser für Süchte sein: Wenn man stark verletzt worden ist, möchte man das Leid manchmal gerne verdrängen. Ein Drink scheint im ersten Moment die passende Hilfe zu sein. Wenn man sich unbeliebt fühlt, weil man nicht so locker ist wie die anderen, trinkt man mitunter auch eher mal, um sich besser anpassen zu können.


-gesellschaftliche Faktoren: Wahrscheinlich kennst du mehr Menschen, die Alkohol trinken als welche, die sich irgendwelche Pillen einwerfen. Um RaucherInnen zu sehen, muss man sich nur ein paar Minuten vor die Tür begeben. Ein Faktor für Sucht oder Gebrauch von Substanzen ist, wie einfach der Zugang dazu ist. Bei Alkohol und Nikotin ist es in Deutschland sehr leicht möglich, zu konsumieren.


So viel zum Thema "Entstehung". Aber worauf will ich hinaus?


Es ist nicht deine Schuld, wenn du abhängig von etwas wirst.


Es wird wenig über den Gebrauch von Substanzmitteln diskutiert. Wenn ich an manchen Abenden gerne nüchtern bleiben möchte, werde ich teilweise sogar verbal dafür angegriffen.

Das sorgt dafür, dass sich Betroffene oft zu spät darüber bewusst werden, dass sie ein Problem haben. Denn Alkohol und Nikotin sind gesellschaftlich super akzeptiert und teilweise sogar gewünscht.


Jeder trinkt zwar, aber niemand will ein "Alki" sein- so oder so ähnlich könnte man es überspitzt ausdrücken. Will heißen: Wenn du ein Problem mit Alkoholkonsum bekommst, bist du oft ganz alleine da. Es wird noch oft beschwichtigt und gesagt, dass es kein Problem sei, wenn du zwischendurch trinkst. Und wenn es unbestreitbar wird, ist man plötzlich der oder die Aussätzige. Viele PatientInnen berichten mir, dass sie seit der Therapie ihres Abhängigkeit viele FreundInnen verloren haben. Dann kommen Sätze wie "Warum bist du heute Abend gekommen, wenn du sowieso nicht mittrinkst?"


Meiner Meinung nach sollte es ein viel breiteres Bewusstsein über die Gefahr geben, die von Alkoholkonsum ausgeht. Mehr Aufklärung über das Thema schafft Bewusstsein darüber, dass Alkohol nicht für jeden ein harmloses Samstagabend-Vergnügen ist.

Also passt auf Euch und euer Umfeld auf! In meinem anderen Blogpost rede ich darüber, wie man problematisches Trinken bei Freunden und Freundinnen ansprechen kann. Der Artikel ist auf Englisch.

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